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.»Ich erkläre es Ihnen… Wissen Sie, was eine Inselbegabung ist?«Gwen schüttelte den Kopf.»Einfach gesagt, ist es eine Form von Autismus, die mit außergewöhnlichen Begabungen einhergeht.Lenau – nennen wir ihn einmal so – besitzt viele davon.Erstaunlich viele sogar.Wir haben herausgefunden, dass er über ein fotografisches Gedächtnis verfügt.Außerdem hat er große mathematische Fähigkeiten und spricht eine Menge Sprachen… Es könnte auch sein, dass er an einer multiplen Persönlichkeit leidet.So etwas findet man selten in einem einzigen Menschen vereint.Das Phänomen ist mir in meiner gesamten Laufbahn noch nicht vorgekommen…«»Kann ich ihn sehen?«, fragte Gwen.»Ich denke, das wird möglich sein.«»Ich wäre ebenfalls daran interessiert«, sagte Brandt.»Ich habe ihn ja auch kurz gesehen und würde ihn gegebenenfalls gerne identifizieren.«Der Arzt stand auf.»Kommen Sie.«Es ging die Treppe hinunter, dann durch eine Glastür auf einen langen Flur.Hinter ihnen klickte ein Schloss.Die Tür besaß von dieser Seite aus keine Klinke, nur einen Knauf.Gwen spürte eine kleine, unangenehme Anwandlung von Klaustrophobie.Der Weg den Gang entlang war wie ein Spießrutenlaufen.Links und rechts saßen Insassen der Klinik auf Stühlen und abgewetzten Sofas.Manche blieben unbeteiligt, wirkten müde oder abwesend, andere schauten verwundert auf, als sie Dr.Stoll an sich vorbeigehen sahen.»Herr Professor«, schnarrte die Stimme einer weißhaarigen Frau.»Herr Professor, wann ist denn Sprechstunde?« Sie trug einen Latz um den Hals, auf dem eingetrocknete Nahrungsreste zu erkennen waren.Als sie Gwen sah, streckte sie den Arm aus und wollte ihr über das Haar streichen.»Bist du schön«, sagte sie.Ein saurer Geruch ging von ihrem zahnlosen Mund aus.Gwen lief Brandt und dem Doktor nach.Eine Schwester kam ihnen aufgeregt entgegen.Es war dieselbe, die sie am Eingang empfangen hatte.»Patient Nr.14«, rief sie.»Herr Dr.Stoll – Patient Nr.14.«»Was ist mit ihm?«Sie folgten ihr zu einem Zimmer am Ende des Gangs.Zuerst bemerkte Gwen nur die Kälte in dem Raum, dann wurde ihr klar, dass eines der großen Fenster eingeschlagen war.Das schmiedeeiserne Gitter dahinter hing schief herunter.Jemand hatte es aus seiner Verankerung gerissen.Gwen blickte in einen winterlichen kleinen Garten voller kahler Büsche und Laub.Es waren keine fünf Meter bis zu einer hohen Mauer.»Verdammt«, rief Stoll.»Entschuldigen Sie!«Er griff zum Handy und verließ den Raum.Draußen hörte man ihn telefonieren.Gwen sah sich um.Das Zimmer, in dem Lenau gelebt hatte, wirkte wie eine kleinere Version des Arbeitszimmers ihres Vaters.Die einzigen Möbel waren ein Bett, ein winziger Schreibtisch mit Stuhl und eine Reihe von übervollen Regalen an der Wand.Gwen überflog die Buchrücken und fand Sachbücher aller möglichen Gebiete – Kunstgeschichte, Musik, ein kleines mehrbändiges Lexikon, Kirchengeschichte, die Bibel.Auf dem Tisch türmten sich handbeschriebene Blätter, einige davon enthielten sogar hingekritzelte Noten.Hatte Lenau auch eine kompositorische Begabung?Draußen sprach Stoll immer noch auf jemanden ein.Gwen verstand, dass er mit der Polizei sprach.»Gleich werden Ihre Kollegen hier sein«, sagte Gwen zu Brandt.»Was wollen Sie denen erzählen?«»Machen wir, dass wir wegkommen.Wir wissen, was wir wissen wollten.«In diesem Moment fand Gwen den Brief.Er lag genau in der Mitte der Schreibtischfläche.Es war ein fast unscheinbarer Umschlag, auf dem ihr Vorname stand.Erst als sie die Stadt verlassen hatten und über die Landstraße fuhren, öffnete Gwen das Kuvert.Liebe Gwendolyn, ich nehme mir die Freiheit, Sie beim Vornamen zu nennen.In Anbetracht der Ereignisse, die wir zusammen erlebt haben, ist das sicher nicht unangemessen.Ich weiß nicht, was Sie in der Zwischenzeit über mich erfahren haben.Vielleicht einiges, vielleicht nichts, aber ganz sicher nicht die Wahrheit, denn diese ist so unwahrscheinlich, dass ich schon lange aufgehört habe, sie anderen Menschen zu erzählen.Um genau zu sein, geschah das schon sehr bald nach dem einschneidenden Erlebnis, das mein Leben geprägt hat und dessen ganze Tragweite ich erst erkannte, als Jahrzehnte vergingen, ohne dass etwas eintrat, das jeder Mensch im Laufe seines Lebend erwartet.Ich könnte ganze Bände füllen, indem ich Ihnen schreibe, was in so langer Zeit in mir vorging, was mich umtreibt, welche Enttäuschungen ich erlitten habe und weiter erleiden musste.Doch ich möchte mich nur mit dem Wesentlichen befassen: Ich möchte, dass Sie verstehen, dass Sie keine Angst vor mir zu haben brauchen.Und ich möchte, dass Sie verstehen, warum ich all diese Dinge getan habe, die Ihnen vielleicht verbrecherisch oder betrügerisch erscheinen.Ich möchte endlich, dass es vorbei ist.Ich möchte wissen, wann es so weit ist.Sie wissen sicher genau, was ich damit meine.Die sehr lange Lebenserfahrung, die ich mit keinem anderen Menschen teile, hat mich dazu gebracht, Menschen leicht zu beeinflussen, ihnen Ängste zu geben und zu nehmen, wie es mir gefällt.Wenn Sie so viele Menschen so vieler Sprachen und Länder gesehen und mit ihnen gelebt haben wie ich, können Sie in jedem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch.Doch Sie bleiben immer ein Mensch – in allem, was Sie tun und in allem, was Sie unternehmen.Und wenn Sie so viel Zeit haben wie ich, können Sie eine Menge lernen – Sie können studieren, was Sie wollen, Sie können Sprachen lernen und Sie können sich allerlei Fertigkeiten aneignen.Aber irgendwann stoßen Sie an Grenzen.Die Grenzen des Menschen kommen schnell, glauben Sie mir.Man lernt nichts dazu.Höchstens, andere Menschen zu manipulieren [ Pobierz całość w formacie PDF ]
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